Die Herausforderung: Wenn jedes Aneurysma einzigartig ist

Bifurkationsaneurysmen gehören zu den größten Herausforderungen der modernen Neurochirurgie. Sie entstehen an Gefäßgabelungen im Gehirn, wo sich mehrere Blutgefäße kreuzen und aufteilen und damit Bereiche schaffen, die anatomisch extrem unterschiedlich sind. Standardisierte Stents stoßen hier an ihre Grenzen.

Jeder Patient, jede Gefäßstruktur, jedes Aneurysma ist anders. Die Vision des IndiPlant-Projekts: ein System, das auf Basis medizinischer Bilddaten einen maßgeschneiderten Stent für jede individuelle Gefäßsituation entwirft – und diesen durch Simulation und 3D-Druck validiert.

Die Vision: KI als Wegbereiter individueller Medizin

Langfristig soll aus IndiPlant ein vollständiges System entstehen, das patientenindividuelle Behandlungen ermöglicht, nicht nur im Gehirn, sondern perspektivisch auch für andere Körperbereiche. „Wir arbeiten an einer Lösung, die die Grundlage für eine wirklich personalisierte Gefäßtherapie schaffen kann“, erklärt Sebastian Wittor, Projektleiter bei BAYOOMED.

Die Technologie verbindet medizinische Bildverarbeitung, künstliche Intelligenz, Simulation und 3D-Druck – in einem durchgängigen digitalen Prozess.

Indiplant-Screenshot Stent

Die Rolle von BAYOOMED GmbH: KI im Herzen des Systems

BAYOOMED verantwortet im Konsortium die Entwicklung und das Training des KI-Systems. Das Modell analysiert MRT- und CT-Daten (DICOM), erstellt ein 3D-Modell des Aneurysmas samt Gefäßumgebung und generiert daraus einen individuellen Stent-Entwurf. Das Besondere daran ist, dass die Validierung nicht erst am fertigen Produkt erfolgt, sondern prozessbasiert durch Simulationen des KI-generierten Designs.

Das bedeutet, dass nicht der Stent getestet wird, sondern der gesamte Prozess seiner Entstehung wird validiert – ein Ansatz, der in der Medizintechnik bisher einzigartig ist.

Der Weg: Von der Forschung zur klinischen Relevanz

Zu Beginn erhielt BAYOOMED DICOM-Daten von der Uniklinik Jena. Diese mussten zunächst sorgfältig aufbereitet werden. Ein aufwändiger Prozess, da Gefäße flexibel sind, sich durch Blutdruck minimal verändern und nur mithilfe von Kontrastmitteln sichtbar werden.

Das Team verwendete daraufhin verschiedene Preprocessing-Methoden. Es erwies sich als entscheidender Erfolgsfaktor, rund 60 % der Gesamtaufwände flossen in diese Phase. Im Training kam eine Kombination aus U-Net Architektur, MONAI Framework und PyTorch zum Einsatz. Mit einer anfangs winzigen Datenbasis von nur fünf Aneurysmen wurde der Gesamtprozess getestet, anschließend die Datengrundlage auf 60 und später 128 Fälle erweitert.

Als Ergebnis stieg die Modellgenauigkeit stieg von 42 % auf 85 % Accuracy, ein gewaltiger Fortschritt innerhalb weniger Monate.

IndiPlant BAYOOMED Success Story-Preprocessing Denoising

Prepocessing - Denoising

Erhöhung der Qualität der Bilder durch Clipping als Lösung um Rauschen zu reduzieren.

Agile Forschung statt klassischem Projektplan

Anders als in klassischen Medizinproduktentwicklungen arbeitete das Team ergebnisoffen und explorativ. Statt eines festen Backlogs standen Forschung, Paper-Research und technische Iterationen im Vordergrund.

„Wir mussten uns die richtigen Werkzeuge, Bibliotheken und Algorithmen im Laufe des Projekts selbst erarbeiten“, erzählt Sebastian Wittor. „Das war forschungsgetriebenes Arbeiten im besten Sinne, mit der Freiheit, Hypothesen zu prüfen, zu verwerfen und neue Wege zu gehen.“ So entstand auch die Idee einer visuellen Benutzeroberfläche, um die Ergebnisse der KI besser interpretieren und validieren zu können, ein Schritt, der aus der Praxis heraus geboren wurde.

„Das war forschungsgetriebenes Arbeiten im besten Sinne, mit der Freiheit, Hypothesen zu prüfen, zu verwerfen und neue Wege zu gehen.“

Sebastian Wittor, Projektleiter bei BAYOOMED

Erkenntnisse aus dem Projekt

Die Arbeit an IndiPlant hat BAYOOMED wertvolle Erkenntnisse für zukünftige KI-Entwicklungen gebracht:

  • Preprocessing ist der Schlüssel zur Modellqualität Die Qualität der Eingangsdaten entscheidet über den Erfolg des gesamten KI-Modells. Sorgfältige Datenaufbereitung hat einen größeren Einfluss auf die Ergebnisgüte als jede spätere Modellanpassung.
  • 50 % ungeplante Aufwände In Forschungsprojekten lassen sich viele Schritte nicht im Voraus planen. Flexibilität und iterative Anpassung der Aufgaben sind entscheidend, um neue Erkenntnisse direkt zu integrieren.
  • Kontinuierliches Paper Research als Teil des Entwicklungsalltags Wissenschaftliche Veröffentlichungen und aktuelle Studien sind fester Bestandteil der Arbeit. Viele technische Entscheidungen beruhen auf neuen Erkenntnissen aus der Forschungsliteratur.
  • Freiraum für Entwickler fördert Innovation Kreative Lösungsansätze entstehen dann, wenn das Team eigenständig experimentieren und Hypothesen prüfen darf: Eine Kultur des Ausprobierens ist für KI-Projekte essenziell.
  • Visuelle Validierung Sie ist essenziell, um Vertrauen in KI-Ergebnisse zu schaffen. Die visuelle Darstellung der Segmentierungen und Stentmodelle hilft, das Verhalten der KI nachzuvollziehen und ermöglicht eine nachvollziehbare Qualitätsbewertung.
  • Datenqualität schlägt Modellkomplexität Eine robuste, saubere Datengrundlage liefert oft bessere Resultate als das komplexeste Modell – Qualität vor Quantität gilt besonders in der medizinischen KI-Entwicklung.

Ergebnisse und Ausblick

Heute kann der gesamte IndiPlant-Prozess digital abgebildet werden – von der Datenerfassung über die KI-basierte Segmentierung und Stent-Erstellung bis zur Simulation und dem 3D-Druck des fertigen Stents.

Die nächsten Schritte: Optimierung der einzelnen Prozessabschnitte, bessere Abstimmung der beteiligten Systeme und die Weiterentwicklung der KI. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Ende 2026. Ziel ist die preklinische Phase, mit dem langfristigen Ziel, das System bis zur Marktreife zu führen.

Fazit: Eine neue Ära der MedTech-Innovation

IndiPlant zeigt, was möglich ist, wenn Forschung, Technik und Medizin zusammenkommen. BAYOOMED arbeitet hier nicht an einer App oder Software, sondern an einem grundlegend neuen Ansatz für patientenindividuelle Medizinprodukte.

„An einem System zu arbeiten, das die Basis für personalisierte Gefäßtherapie legt, ist faszinierend“, sagt Sebastian Wittor, „Wir gestalten hier aktiv die Zukunft der Medizintechnik und das ist ein unglaublich motivierendes Gefühl.“

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